gambe di legno

L’Elemento dell’Acqua  Alberto Allegrezza  Tenor
L’Elemento della Terra  Mauro Borgioni  Bass
L’Elemento del Foco  Emanuela Galli  Sopran
L’Elemento dell’Aria  Gabriella Martellacci  Alt
L’Humana Natura  Letizia Verzellesi  Mezzosopran
La Divina Misericordia  Anna Simboli  Sopran
La Divina Giustizia  Sonia Tedla  Sopran
La Beatissima Vergine  Emanuela Galli  Sopran
San Giovanni  Gabriella Martellacci  Alt
San Pietro  Mauro Borgioni  Bass

Jose Manuel Quintana, Paolo Zuccheri, Francesco Galligioni, Teresina Croce, Giuliano Eccher   Viola da gamba
Mauro Zavagno   Violone
Rosella Croce, Esther Crazzolara  Violine
Emanuele Marcante   Viola
Francesco Galligioni   Violoncello
Pietro Prosser   Theorbe
Paolo Zuccheri   Künstlerische Leitung

Francesco Baroni   Orgel & Leitung

Quellen:
Mus. Hs. 16899 Österreichische Nationalbibliothek, Musiksammlung (Partitur)
Mus 0321206 Biblioteca nazionale Braidense, Milano (Libretto)
Edition: Francesco Baroni

Leopold I.  (1640 – 1705)
Il Lutto dell’Universo

Attione Sacra per lo Santo Sepolcro
Libretto: Francesco Sbarra (1611 – 1668)

[ 1 ]    Sonata    03 : 59
[ 2 ]    AQUA «Io, che là nel Giordano»    04 : 21
[ 3 ]    [Madrigale à 4] «Ecco si spingono»     06 : 14
[ 4 ]    Aria AQUA con Viole «In horrido Trono»    02 : 28
[ 5 ]    TERRA «Mà, da la Madre al fine»    03 : 56
[ 6 ]    Sonata    00 : 59
[ 7 ]    L’HUMANA NATURA con Viole «Che fai, misero Mondo»    01 : 11
[ 8 ]    Aria L’HUMANA NATURA «Ah non fia vero»    02 : 06
[ 9 ]    FUOCO, ARIA, ACQUA, TERRA à 4 «Sì, sì, questo, sì, sì»    01 : 54
[ 10 ]    DIVINA MISERICORDIA «Fermate homai, fermate»    01 : 50
[ 11 ]    Aria DIVINA MISERICORDIA «Dunque, ò Madre»    00 : 50
[ 12 ]    L’HUMANA NATURA «M’acqueto, e mi rivolgo»    00 : 17
[ 13 ]    FUOCO, ARIA, ACQUA, TERRA à 4 «Et Io, che nova brama»    01 : 06
[ 14 ]    Aria DIVINA MISERICORDIA «Mondo frale, in qual periglio»    03 : 43
[ 15 ]    DIVINA GIUSTIZIA, DIVINA MISERICORDIA «Respira»    02 : 04
[ 16 ]    SAN PIETRO «E come, all’hor ch’Io dissi»    02 : 39
[ 17 ]    Aria San Pietro «Ah! se questo pur è vero»    02 : 42
[ 18 ]    DIVINA MISERICORDIA «Ascolta: Io quella sono»    01 : 06
[ 19 ]    DIVINA MISERICORDIA «Non altro desio»    01 : 47
[ 20 ]    SAN PIETRO «Et Io che farò mai?»    03 : 02
[ 21 ]    BEATA VERGINE «Ò Voi, che n’andate»    02 : 56
[ 22 ]    SAN GIOVANNI «Giovanni misero; Che speri più!»     01 : 32
[ 23 ]    BEATA VERGINE «O voi, che venite per questo sentiero»     02 : 01
[ 24 ]    SAN GIOVANNI «Madre; ò come uniformi»    03 : 17
[ 25 ]    BEATA VERGINE «Lassa! ahimè! s’è convertita»    03 : 03
[ 26 ]    BEATA VERGINE «D’un Dio fui Genitrice»    00 : 49
[ 27 ]    BEATA VERGINE «Ò Sommo, ETERNO PADRE»    01 : 00
[ 28 ]    DIVINA MISERICORDIA «Quella, ò Vergin»    01 : 32
[ 29 ]    SAN PIETRO «Ah! perché più m’ascondo!»    02 : 55
[ 30 ]    BEATA VERGINE «Qui spargete, Occhi dolenti»    01 : 47
[ 31 ]    Sonata    01 : 36
[ 32 ]    Madrigale ultimo TUTTI «Homai quì s’accorga»    02 : 45

Kaiser Leopold I «Il lutto dell’universo»

Zur Zeit, als Isaac Newton das erste Spiegelteleskop erfand, seine berühmten Gesetze der Mechanik formulierte und mit den Magdeburger Halbkugeln experimentiert wurde, als Louis XIV. das Schloss Versailles aus- und umbauen ließ, als Giovanni Battista Lulli für den Sonnenkönig die französische Oper aus der Taufe hob, regierte in Wien Leopold I., der vor allem eine große Leidenschaft mit seinem Erzrivalen Louis XIV. gemein hatte: die Musik. Wohl zurecht, wird man einräumen, dass für beide Monarchen die Musik, die Oper, das Theater, ja die Kunst generell als Instrumente zur Dokumentation der Macht ganz gezielt eingesetzt wurden. Beide Herrscher waren obendrein auch passionierte Tänzer. Doch während Louis XIV. Harmonien und Melodien lediglich konsumierte, griff die Cesarea Maestà selbst zur Feder. So geben heute noch vor allem die Bestände der Österreichischen Nationalbibliothek Zeugnis vom musikalischen Schaffen des Kaisers. Während der Regierungszeit (1658 – 1705) Leopold Ignatius Joseph Balthasar Felician erlebte die Musik eine am Kaiserhof bisher kaum erreichte Hochblüte. Vor allem Musiker, Sänger und Komponisten aus Italien prägten das klingende Abbild des Heilgen Römischen Reiches. In einer Zeit ohne Massenmedien war es offenbar eine große Leidenschaft seiner Kaiserlichen Hoheit, in den intimsten Gemächern eine «Bibliotheca cubicularia» mit großem Bestand an Musikalien anzulegen. So konnte Leopold I. quasi noch beim Zubettgehen in den Bänden dieser «Schlafkammerbibliothek» blättern und sich real am Cembalo oder auch in der Fantasie selbst in den Schlaf singen. Noch heute gehören die in Pergament gebundenen und meist mit dem in Gold geprägten Konterfei des Monarchen versehenen prunkvollen Bände zu den Kleinodien österreichischer Musikgeschichte. Etliche Oratorien, Opern und Kantaten über dem Basso continuo finden sich hier und harren größtenteils noch ihrer Wiederentdeckung.
Es wird wohl der Kapellmeister Antonio Bertali gewesen sein, der den Regenten – dessen Geburtstag sich heuer zum 375. Mal jährte – in die Kunst des Tonsetzens eingewiesen hat. Leopold I. trat auch hier in die Fußstapfen seines Vater Ferdinand III., der sehr musikalisch und selbst auch Komponist war. Die Werke der Regenten wurden dann natürlich auch von der Hofkapelle aufgeführt. Ob in der Tanzmusik, Liedern zum Fasching oder auch sakralen Werken: Ihro Majestät Leopold I. waren in allen Genres zu Hause.
Wenn in der Fastenzeit die Bretter, die die Welt bedeuten, unbenutzt blieben und sich das Opernpersonal bereits auf die nächste Saison vorbereitete, lud der Kaiser zur Andacht in die stille Hofburgkapelle. Vor dem Heiligen Grab wurden sogenannte «Sepolcri» – eine spezielle Wiener Art des Oratoriums, auch als «Attione sacra» bezeichnet – szenisch dargeboten.
Zu den über zweihundertdreissig erhaltenen Werken Leopold I. und zum Genre des «Sepolcro» zählt auch «Il Lutto Dell’Vniverso / Attione Sacra / Per lo Santo / SEPOLCRO». Das Werk wurde am 29. März, dem Gründonnerstag des Jahres 1668, erstmals in Wiener Neustadt aufgeführt. Unter den Sängern dieser Erstaufführung war auch Antonio Cesti, der die Allegorie des Elemento della Terra sang und damals Vize-Kapellmeister Leopold I. in Wien war. Das Libretto zu diesem Fasten­oratorium schuf Francesco Sbarra (1611 – 1668), Jesuit und Hofdichter des Kaisers. Bereits mit Werken wie der Favola Morale «La Moda», aufgeführt 1652 in Lucca, der Heimatstadt des Dichters, hatte Sbarra sein künstlerisches Credo klar definiert: er wollte mit seinen Texten die Welt verbessern, den Erdbewohnern Leuchttürme zum Pfad der Tugend anbieten und bisweilen mahnend den «rechten Weg» einfordern. Wenige Monate nach «Il lutto dell’universo» wurde übrigens Sbarras mythische Oper «Il pomo d’oro» mit der Musik von Antonio Cesti in Wien aufgeführt.
Sbarra lässt in «Il lutto dell’universo» allegorische Gestalten der Elemente Wasser, Feuer, Erde und Luft mit jener der menschlichen Natur auftreten und darüber klagen, dass Christus ans Kreuz geschlagen wurde. Die Elemente hätten dies verhindern sollen. Jetzt gilt es ohne Zweifel, die Tat zu bestrafen. Dieser Meinung ist auch die menschliche Natur, die die Elemente anstachelt: Alles Lebende soll büßen.
Quasi im letzten Moment erscheint die Figur der göttlichen Barmherzigkeit: Die Welt soll nicht vernichtet, sondern vielmehr den irrgelaufenen Menschen Heilung – und zwar durch das Blut Christi – gebracht werden. Der bereits offene Höllenschund schließt sich. Voll von Reue und Selbstvorwürfen treten Petrus, der Christus verleugnete, und der Heilige Johannes auf. Wieso wurden sie nicht von Gott für ihre Zweifel bestraft? «La Divina Misericordia» – die göttliche Barmherzigkeit – kann ihre Gewissensbisse beruhigen: Alles musste so geschehen, damit die Menschheit gerettet werden konnte. «Die sündige Welt soll erkennen, dass nur für ihren Frieden die wahre Sonne ihren Aufgang im Untergang hat».
Claudio Monteverdi hätte wohl geschmunzelt, wenn er auf das mit Eisen-Gallus-Tinte geschriebene Manuskript des Sepolcro geblickt hätte. Keine Frage: sechzig Jahre nach der Uraufführung der Favola in musica «L’Orfeo» erscheint Leopold I. Hand etwas reduziert, ja spartanisch. Affekt- und Effektwechsel werden mit einer Subtilität umgesetzt, die jede plakative Textausdeutung in den Hintergrund drängt. Leopold I. geht in idealisierender Weise noch weiter als die Komponisten am Beginn der «seconda prattica». Dass der Text über der Musik steht, ist auch für die Cesarea Maestà selbstverständlich. Dass die Musik – auch wenn sie den Text ausdeuten – diesen nicht dominieren soll, ist für den Herrscher des Heiligen Römischen Reiches Prinzip. Für 1668 noch archaisch, könnte man vordergründig meinen. Für diese Zeit bewusst bewahrend ist eher die rechte Einschätzung. Ein Dezennium bevor Alessandro Scarlatti seine «Gli equivoci nel sembiante» zur Aufführung brachte und damit einen weiteren Schritt zur Vorherrschaft der Gurgel­akrobaten in Theater und Oratorium setzte, bremst Leopold I. ganz offenbar ein. Über dem Basso continuo schweben – oft ohne Begleitung von Melodieinstrumenten – Singstimmen, die den Text mit viel Pathos, dramatisch, zum Teil dem Inhalt entsprechend aber auch meditationsartig deklamieren. Zur instrumentalen Gestaltung treten Instrumente der Geigenfamilie und die lamentablen Viole da gamba quasi als Topoï zweier Welten einander gegenüber und gliedern die Partitur durch Sonate und Ritornelli. Für den gläubigen, bisweilen vielleicht auch bigotten und dennoch unzweifelhaft mitten im realen Leben stehenden Kaiser und seine erlauchten Kirchgänger einst und für uns heute Gelegenheit, unsere Augen vom Bild des blutverschmierten Haupt Christi gegen Himmel ins Dunkel — in die Untiefen des eigenen Inneren zu wenden.

Bernhard Trebuch