Johannes Maria Bogner

Clavichord
Thomas Vincent Glück nach einem Vorbild von Bartolomeo Cristofori

Domenico Scarlatti  (1685 – 1757)
[ 1 ] Sonata in A-Dur, K. 208          03 : 56
[ 2 ] Sonata in A-Dur, K. 209          04 : 57
[ 3 ] Sonata in f-moll, K. 238           03 : 40
[ 4 ] Sonata in f-moll, K. 239           03 : 36
[ 5 ] Sonata in C-Dur, Pastorale, K. 513         06 : 02
[ 6 ] Sonata in d-moll, Aria, K. 32   02 : 42
[ 7 ] Sonata in d-moll, K. 141          04 : 24
[ 8 ] Sonata in f-moll, K. 185           04 : 46
[ 9 ] Sonata in f-moll, K. 184           04 : 31
[ 10 ] Sonata in D-Dur, K. 119         07 : 10
[ 11 ] Sonata in g-moll, Fuga K. 30   04 : 50
[ 12 ] Sonata in Es-Dur, K. 193         04 : 31
[ 13 ] Sonata in C-Dur, K. 132         08 : 40
[ 14 ] Sonata in C-Dur, K. 133         04 : 43
[ 15 ] Sonata in a-moll, K. 175          04 : 42

Domenico Scarlatti, der Tanz auf Tasten
«In the light of his later music, it is by no means difficult to imagine Domenico Scarlatti strolling under the Moorish arcades of the Alcazar or listening at night in the streets of Seville to the intoxicating rhythms of castanets and the half oriental melodies of Andalusian chant. To them Saracen of his Sicilian ancestry and Neapolitan childhood must have responded.»
(Ralph Kirkpatrick, Domenico Scarlatti)

Domenico Scarlatti wurde in Neapel geboren, erzogen musikalisch von seinem Vater Alessandro. Schlussendlich landet er am spanischen Hof – gleichsam als Satellit italienischer Herkunft des ausgehenden 17. Jahrhunderts, ausgesetzt auf der iberischen Halbinsel …
Dort müssen ihn die Eindrücke der spanischen Folklore überwältigt haben.
Zuerst vier Jahre in Sevilla, später in Madrid. In ersterer Stadt waren die Einflüsse des Orients an allen Ecken zu hören, die durch die Straße von Gibraltar ins Land getragen wurden.
Es war ihm wohl lieber, einen Abend am Lagerfeuer der reisenden Mauren zu verbringen als der Etikette am Hof zu folgen …
Alle lauten- und gitarreartigen Instrumente waren dort zu hören und, wie oben erwähnt, der aufpeitschende Rhythmus der Kastagnetten. Sie haben Scarlattis Tonsprache geprägt.
Eine Auswahl von Sonaten, die diesem Geist und Erfindungsreichtum entsprechen, seien hier am Clavichord dargeboten, auch mit vielen melodischen Zügen, die arabisch inspiriert sind (mit den dafür so typischen übermäßigen Sekund-Intervallschritten).
Das Clavichord mit seinem endlos modulationsfähigen Klang unterstreicht die Herkunft der Musik, vor allem auf dem Instrument von Thomas Vincent Glück. Mit seiner aufwendigen Konstruktion im Bass lässt es die wuchtigen Akkorde in einer kaum gehörten Resonanz zu Geltung kommen …
Ein späterer Zeitzeuge notierte folgende Aussage: «Scarlatti sagte öfter, er wisse recht gut, dass er in seinen Klavierstücken alle Regeln der Komposition beiseite gesetzt habe, es gäbe fast keine andere Regel, worauf ein Mann von Genie zu achten habe, als diese, dem einzigen Sinne, dessen Gegenstand die Musik ist, nicht zu missfallen. Da ihm die Natur zehn Finger gegeben hätte, so sähe er keine Ursache, warum er sie nicht alle zehn gebrauchen sollte!» (Wikipedia, Domenico Scarlatti)
Für den Effekt, den seine Musik haben sollte, setzte er sich über jede Regel der üblichen Satzkunst hinweg, die Stimmenanzahl wechselt willkürlich, parallele Oktaven und Quinten sind an der Tagesordnung. Alles der markigen Urkraft seiner Einfälle folgend.
Domenico Scarlatti, das Clavichord und Bartolomeo Cristofori …
Auf Reisen durch Italien mit seinem Vater Alessandro war Anfang des 18. Jahrhunderts Domenico Scarlatti sehr wahrscheinlich in persönlichem Kontakt mit Bartolomeo Cristofori in Florenz.
Es war die spannendste Zeit der Bauentwicklung für Tasteninstrumente, hat Cristofori doch 1709 sein erstes «Cembalo col ­piano e forte» fertiggestellt. Scarlattis spätere Arbeitgeberin, Maria Barbara von Spanien, besaß in Folge fünf Fortepianos aus Fiorentiner Schule. Sie wurden allesamt von Schülern Cristoforis gebaut.
Die Faszination, ein Tasteninstrument anschlagdynamisch spielen zu können, war der Kick der Stunde und hat die Musikgeschichte in ihrer Entwicklung über weitere Jahrzehnte geprägt. Das Clavichord birgt diese Qualität in seiner Bauweise, auch wenn es mindestens so alt ist wie sein tonstarrer Bruder Cembalo.
Ob Scarlatti Clavichorde von Cristofori gespielt hat, ist ebenso wenig belegt wie das Zusammentreffen dieser zwei Zeitgeister, die an Experimentierfreude nicht zu übertreffen waren. Beides ist sehr wahrscheinlich. So ein Austausch muss von besonderer, inspirativer Brisanz gewesen sein.
Clavichorde waren omnipräsent, sowohl in Italien, zur Jugendzeit Scarlattis, wie auch später in Spanien, einem Land, in dem dieses Instrument eine sehr lange Tradition aufweist.
Johannes M. Bogner

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