BACH – Kargl

On taking up his controversial appointment as cantor of St. Thomas’s in Leipzig in May 1723 – he was after all only third choice – Johann Sebastian Bach was well aware of the expectation that he should provide something new; not only fresh compositions, but also modern in style, instrumentation and indeed renewing the whole performance apparatus. This resulted in the Magnificat in E flat BWV 243a, performed at the Feast of the Visitation on 2nd July 1723 and repeated with its well-known interpolations at Christmas of the same year. Even though the newly-appointed cantor had employed «modern» recorders and oboes in the instrumentation of the cantata «Gott ist mein König» written for the inauguration of a new town council in Mühlhausen some fifteen years previously, problems arising from the differing pitches of these instruments was still an issue in the modern trade fair city of Leipzig. These differing pitches probably account for his writing a Magnificat with trumpets in E flat.

We also find proof of variously pitched instruments in the cantata «Christ lag in Todes Banden», a work first performed in Leipzig in 1724.

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artist

BACH – Kargl

Domkantorei St. Pölten

Martina Daxböck & Barbara Zidar | Sopran 

Anna Kargl | Alt

Johannes Bamberger | Tenor 

Daniel Gutmann & Ricardo Bojorquez Martinez | Bass 

cappella nova strumentale

Ludwig Lusser | Orgel

Otto Kargl | Leitung

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1 CD
EAN 4260307437121

released in October 2017

tracks

BACH – Kargl

Johann Sebastian Bach  (1685 – 1750)

1 PASSACAGLIA in c-Moll BWV 582

Missa in g-Moll BWV 235

2 Kyrie

3 Gloria in excelis Deo

4 Gratias agimus

5 Domine fili

6 Qui tollis peccata mundi

7 Cum Sancto Spiritu

8 «Schmücke dich, o liebe Seele»
a 2 Clav. et Pedal  BWV 654

«Christ lag in Todes Banden»
9 Sinfonia 01 : 18

10 Versus 1mo «Christ lag in Todes Banden»

11 Versus 2dus «Den Tod niemand zwingen kunnt»

12 Versus 3tius «Jesus Christus, Gottes Sohn»

13 Versus 4tus «Es war ein wunderlicher Krieg»

14 Versus 5tus «Hier ist das rechte Osterlamm»

15 Versus 6tus «So feiern wir das hohe Fest»

16 Choral Versus 7 «Wir essen und leben wohl»

Text

Als Johann Sebastian Bach im Mai des Jahres 1723 nach langem Hin und Her – Bach war schließlich nur die dritte Wahl für das begehrte Amt – den Posten des Thomaskantors in Leipzig antrat, war ihm bewusst, dass von ihm Neues erwartet wurde. Neues nicht nur im Sinn von gerade-frisch-Komponiertem, sondern auch Modernes, was den Stil, das Instrumentarium, letztendlich den gesamten Aufführungsapparat betraf. So erklang bereits zum Fest Mariä Heimsuchung am 2. Juli 1723 das farbenprächtige Magnificat in Es-Dur BWV 243a, das zu Weihnachten desselben Jahres nochmals mit den bekannten Einschüben aufgeführt wurde. Freilich hatte der frischgebackene Thomaskantor das Instrumentarium mit den «modernen» Blockflöten und Oboen bereits fünfzehn Jahre zuvor in der Mühlhausener Ratswahlmotette «Gott ist mein König» verwendet, die Problematik mit dem in verschiedenen Stimmtönen hergestellten Instrumentarium war aber auch noch später in der modernen Messestadt Leipzig ein Thema. Diese verschiedenen Stimmtöne mögen wohl der Grund dafür gewesen sein, ein Magnificat mit Trompeten in Es-Dur zu setzen.

Auch bei der Kantate «Christ lag in Todes Banden» finden wir Belege für verschieden gestimmtes Instrumentarium. Das Werk wurde 1724 in Leipzig aufgeführt. Entstanden aber wahrscheinlich bereits in Bachs Zeit als Organist in Mühlhausen 1707/08, gehört diese Kantate zum Ostersonntag zu den frühesten Werken ihrer Gattung aus dessen Feder. Freilich stimmt der Begriff Kantate nicht unbedingt zu, nannte doch der spätere Thomaskantor die Kantate «Gott ist mein König», ebenfalls in Mühlhausen komponiert, noch Kirchen Motetto, ein Terminus, der auch bei «Christ lag in Todes Banden» wohl passender wäre, weil das Werk von der Anlage her den gleichnamigen Choral ganz ohne die für Kantaten übliche Abfolge von Rezitativen und Arien einfach in Strophen variiert präsentiert. Bach steht hier in einer Linie mit Franz Tunder oder Dietrich Buxtehude. Vielleicht ließ er sich auch von der gleichnamigen Kantate von Johann Pachelbel inspirieren. Die Ähnlichkeiten in Struktur und Komposition lassen den Schluss zu, dass Bach Pachelbels Kantate offenbar kannte.

Archaisch wirkt der fünfstimmige Streichersatz mit zwei Violinen, 2 Viole da braccio und Bass. Diesen Blick ins 17. Jahrhundert verstärkt noch die ad libitum mit dem vierstimmigen Vokalsatz colla parte gehende Bläsergruppe aus Cornetto und drei Posaunen, eine in uralter Tradition in das 18. Jahrhundert übernommene Praxis. Interessanterweise blieben die Bläser dabei über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, immer im Chorton gestimmt, der einen Ganzton über dem «modernen» Stimmton, wie er in den 1720er Jahren in Leipzig bereits auch für die Kirchenmusik üblich war, lag. Das erhaltene Stimmenmaterial der Kantate «Christ ist mein König» enthält einen Ganzton nach unten transponierte Bläserstimmen. Übrigens war auch die Orgel in der Thomaskirche noch im Chorton gestimmt. Der Organist musste also ad hoc transponieren oder er spielte aus einer bereits transponierten Stimme.

Eine seufzende Sinfonia eröffnet die Kantate, deren positive Aussage der Errettung der Welt durch Christi Tod und Auferstehung immer wieder durch den rechten, festen Glauben eindrucksvoll dokumentierende «Halleluja-Rufe» am Ende der Choralstrophen bekräftigt wird.

Wie bei der Kantate «Christ lag in Todes Banden» BWV 4 sind die heute sogenannten vier «lutherischen Messen» nicht in der Handschrift Bachs erhalten. Entstanden in Leipzig, dürften die Messen an hohen Festtagen in der Thomaskirche aufgeführt worden sein. Der protestantischen Tradition gemäß vertonte Bach hier allerdings nicht das gesamte Messordinarium sondern beschränkte sich auf Kyrie und Gloria. Schlicht «Missa» genannt, sandte Bach übrigens 1733 Kyrie und Gloria der heute sogenannten h-Moll Messe an den Kurfürsten von Sachsen, wohl mit dem Gedanken an ein Amt bei Hofe in Dresden. So erscheint es auch möglich, dass der Thomaskantor seine vier «lutherischen Messen» eigentlich für eine Aufführung in der sächsischen Residenzstadt geplant hatte.

Zu Unrecht führen diese Messen eher ein Schattendasein. Von der Besetzung her unterschiedlich stellen sie schon durch die Vertonung lateinischer Texte etwas Besonderes dar. Spätestens 1738/39 entstanden, ist ihre Anlage einheitlich. Während das Kyrie nach dem Text Kyrie–Christe-Kyrie gegliedert als Chor durchkomponiert ist, teilt Bach das Gloria in fünf Abschnitte verteilt auf Chor und Solisten. Wie bei der h-Moll Messe, so greift Bach auch bei den «lutherischen Messen» zum überwiegenden Teil auf frühere Werke aus seiner Feder zurück. Die Missa g-Moll BWV 235 besteht sogar zur Gänze aus Parodien. Es sind dies die Kantaten «Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben» BWV 102, «Es wartet alles auf dich» BWV 187 und «Alles nur nach Gottes Willen» BWV 72. Zu den die Vokalisten begleitenden Streichern und dem Basso continuo kommen noch zwei Oboen hinzu. Violine und Oboe treten auch solistsisch hervor.

Die beiden Orgelwerke, quasi Prae- und Interludium dieser CD, sind exemplarische Beispiele für Bach, in genialer Weise Kontrapunkt mit Melodie zu verbinden. Während die Passacaglia in c-Moll bereits sehr früh entstanden ist, stammt das Choralvorspiel «Schmücke dich, o liebe Seele» aus den «Achtzehn Choräle von verschiedener Art», einer Sammlung, die Bach am Ende seines Lebens aus zum Großteil bereits seiner Zeit in Weimar (1708–1717) verfassten Choralbearbeitungen zusammengestellt hat. Freilich wurden diese Frühfassungen von Bach einer Revision unterzogen und zum Teil verändert. So erklang «Schmücke dich, o liebe Seele», angelegt auf zwei Manuale und Pedal, sicher auch in der Liturgie in der Thomaskirche. Bach hat dieses lutherische Kirchenlied offenbar sehr geschätzt. Voller Ehrgeiz schrieb er bereits ein Jahr nach seinem Amtsantritt in Leipzig eine Choralkantate zum 20. Sonntag nach dem Dreifaltigkeitsfest auf diese beliebte Melodie.

Die älteste Quelle für die Passacaglia in c-Moll ist das sogenannte Andreas-Bach-Buch (heute im Besitz der Städtischen Bibliotheken Leipzig). «Ein Werk von grossem Werth und zur Kunstgeschichte von dem höchsten Interesse» vermerkt der Leipziger Musikschriftsteller Carl Ferdinand Becker 1835 in dieser Handschrift aus dem frühen 18. Jahrhundert. «PASSACAGLIA. ex Cb con Pedale di Giov. Bast. Bach.» hinter diesem Titel verbirgt sich eines der großformatigsten Clavierwerke des jungen Bach. Angelehnt an die Passacaglie von Dietrich Buxtehude, den Bach bekanntlich sehr schätzte, sprengt dieses Werk über ein achttaktiges Thema alle damals bekannten Dimensionen. Nach insgesamt zwanzig Variationen über das Thema folgt eine Fuge, wobei das Thema auf vier Takte verkürzt wird. Diese Fuge, in unvergleichlich Bachscher Manier durch zwei Kontrasubjekte verdichtet, legt nicht nur Zeugnis von der Virtuosität ihres Schöpfers ab sondern eröffnet auch eine neue Dimension des Orgelspiels am Beginn des 18. Jahrhunderts.

text (english)

On taking up his controversial appointment as cantor of St. Thomas’s in Leipzig in May 1723 – he was after all only third choice – Johann Sebastian Bach was well aware of the expectation that he should provide something new; not only fresh compositions, but also modern in style, instrumentation and indeed renewing the whole performance apparatus. This resulted in the Magnificat in E flat BWV 243a, performed at the Feast of the Visitation on 2nd July 1723 and repeated with its well-known interpolations at Christmas of the same year. Even though the newly-appointed cantor had employed «modern» recorders and oboes in the instrumentation of the cantata «Gott ist mein König» written for the inauguration of a new town council in Mühlhausen some fifteen years previously, problems arising from the differing pitches of these instruments was still an issue in the modern trade fair city of Leipzig. These differing pitches probably account for his writing a Magnificat with trumpets in E flat.

We also find proof of variously pitched instruments in the cantata «Christ lag in Todes Banden», a work first performed in Leipzig in 1724. However, the cantata, written for Easter Sunday and one of the earliest of his works in this genre, probably originated from Bach’s time as organist in Mühlhausen in 1707/8. Indeed the term cantata, which the St. Thomas’s cantor later employed for «Gott ist mein König» is not entirely accurate: also written in Mühlhausen, it was there called a motet, a term also more appropriate to «Christ lag in Todes Banden», a work which presents the eponymous chorale in varying verses without any of the recitative and aria sequences typical of a cantata. Here Bach follows the tradition of Franz Tunder or Dietrich Buxtehude. He may also have been inspired by Johann Pachelbel’s cantata of the same name; similarities in both structure and composition point to his familiarity with the work.

The five-part string writing, with two violins, two viole da braccio and bass sounds archaic, a 17th century impression reinforced by the ad libitum doubling of the four-part voices with a cornet and three trombones, an ancient practice revived in the 18th century. Interestingly enough, for tens or even hundreds of years the winds remained ­tuned in «choir pitch» (Chorton), a whole tone higher than the «modern» pitch employed in Leipzig church music in the 1720’s. Thus the surviving instrumental parts for the cantata «Christ ist mein König» include wind parts transposed a whole tone lower. Incidentally, the Thomaskirche organ was also still in choir pitch, so that the organist ­either had to transpose ad hoc or play from a transposed part.

A sighing Sinfonia opens the cantata, whose positive message of the redemption of the world through Christ’s death and resurrection is reinforced by emotional «Hallelujas» at the end of the choral verses confirming the ­power of solid, unwavering faith.

Like the cantata «Christ lag in Todes Banden» BWV 4, the four Lutheran masses, as they are known today, have not survived among Bach’s manuscripts. They were written in Leipzig for performance on high feast days in St. Thomas’s. According to Protestant tradition, Bach only set the Kyrie and Gloria rather than the whole mass Ordinary. Incidentally, Bach sent the Kyrie and Gloria of what has become known as the B minor Mass to the Elector of Saxony in 1733 under the modest title «Missa», no doubt with his eye on a post at the Dresden court. Thus it is possible that the St. Thomas cantor actually planned his four Lutheran masses for performance in the Saxon capital.

These masses have been unfairly marginalised. Scored for various instrumental combinations, their setting of the Latin text is somewhat unusual. Written at the latest in 1738/9, their structure is uniform. Whereas the Kyrie-Christe-Kyrie sequence is sung throughout by the choir, Bach divides the five sections of the Gloria between choir and soloists. As in the B minor Mass, Bach largely reuses material from earlier compositions for his Lutheran masses. The G minor mass BWV 235 consists entirely of parodies, namely the cantatas «Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben» BWV 102, «Es wartet alles auf dich» BWV 187 and «Alles nur nach Gottes Willen» BWV 72. Two ­oboes join the strings and basso continuo to accompany the voices, with a violin and an oboe also taking solo parts.

The two organ works which provide an interlude and prelude for this recording represent perfect examples of Bach’s genius in combining melody and counterpoint. Whereas the C minor Passacaglia is an early work, the chorale prelude «Schmücke dich, o liebe Seele» is taken from the «Achtzehn Choräle von verschiedener Art», a collection of chorale settings mostly from his time in Weimar (1708-1717) that Bach compiled towards the end of his life. These early settings underwent revision and some changes however. «Schmücke dich, o liebe Seele», written for two manuals and pedal, would almost certainly have been heard during a service at St. Thomas’s. Bach clearly valued this Lutheran hymn highly. He ambitiously composed a chorale cantata for the 20th Sunday after Trinity on the popular melody just one year into his Leipzig appointment. The oldest source for the C minor Passacaglia is the so-called Andreas-Bach-Buch (today held in the Städtischen Bibliotheken Leipzig). «A work of great value and of the highest historical interest», noted the Leipzig music journalist Carl Ferdinand Becker in 1835 in this early 18th century manuscript. One of the largest-scale of the young Bach’s keyboard works lies behind the title «PASSACA­GLIA. ex Cb con Pedale di Giov. Bast. Bach». Inspired by Dietrich Buxtehude’s passacaglias that Bach ­valued highly, this work based on an eight bar phrase broke all dimensional bounds of the time. The twenty variations on the theme are crowned by a fugue in which the theme is reduced to four bars. This fugue, intensified by two countersubjects in unmistakable Bach fashion, not only bears witness to its creator’s virtuosity but also opens up a new dimension in organ playing at the start of the 18th century.

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